Smartphones machen jeden zum Gamer!

Smartphones machen jeden zum Gamer!

Gamification ist in aller Munde – aber keiner weiß, was das eigentlich ist. Aber wie weitreichend die kulturellen Veränderungen durch den Erfolg der Videospiele tatsächlich sind, können (oder wollen) sich die wenigsten vorstellen. Dass Gaming heute ein riesiger Markt ist - sogar größer als Musik und Spielfilm – hat sich langsam aber sicher rumgesprochen. Deswegen wird Gamification gleich ein riesiges Potential bescheinigt und von selbsternannten Marketingexperten schon als die nächste Wunderwaffe im Kampf um den Kunden bezeichnet. Wir wollen der Sache auf den Grund   gehen und fragen eine, die es eigentlich wissen muss: Verena Pausder (VP), CEO von Fox & Sheep - einem führendem Entwickler für kindgerechte Apps.

TB: Könntest du zuerst einmal in wenigen Sätzen beschreiben, was du machst und wie deine Beziehung zum Thema Gaming ist?

VP: Browserspiele für Kinder sind die Vergangenheit, die Zukunft sind Mobile Games. Weil Kinder schon viel früher auf Touch Devices loslegen können, weil sie intuitiver und viel sicherer sind. In Zukunft wird das Tablet das Gaming Device für die ganze Familie sein.

TB: Was macht für Dich denn ein gutes Spiel aus?

VP: Ein gutes Spiel, das sind letztlich drei Sachen. Das eine ist: sofortiges Gameplay, also ein Spiel muss sofort losgehen. Sprich wenn ich mich einlogge, soll ich gleich im Spiel sein. Unser Anspruch ist es, dem User schon in den ersten fünf Minuten unglaublich viel Spaß zu bieten. Viel hängt von den ersten 5 Minuten ab. Wenn du die überlebst, dann kommt der zweite Faktor, den ein Spiel haben muss: Retention. Ein Spiel muss, ohne dass du Push-Nachrichten oder Newsletter verschickst, einen natürlichen Drang auslösen, es immer wieder spielen zu wollen – zum Beispiel durch Level-Systeme, High-Scores, oder sonstige Goodies. Also ein Spiel muss einfach so sein, dass man belohnt wird, wenn man es öfter spielt. Was natürlich nicht bedeutet, dass Kinder 12 Stunden am Tag spielen sollen. Bei uns sind die Levels so eingerichtet, dass sie Zeitbarrieren haben. Das heißt, du kannst jetzt noch so viel spielen, aber die Belohnung gibt es erst 24 Stunden später. Und das dritte Ding ist, Spiele leben vom Storytelling und den Charakteren. Je stärker man sich mit einem Charakter identifiziert desto besser das Spiel. Games sind für mich ein Weitererzählen einer Geschichte, von der ich ein Teil sein möchte.

TB: Wenn man jetzt Erwachsenenspiele und Kinderspiele vergleicht, woliegt der maßgebliche Unterschied?

VP: Der Hauptunterschied liegt in der Monetarisierung und das verändert dann auch das Spiel. Im Erwachsenensegment gibt es In-App-Purchases, die da eine riesen Rolle bei der Monetarisierung spielen. Deshalb sind diese Spiele auch mehr darauf ausgerichtet, dass du dir Zeit, Level und Geschwindigkeit kaufen kannst. Und damit sind die Erwachsenenspiele einfach viel, viel schneller. Also da ist es natürlich gewollt, wenn jemand 12 Stunden am Stück spielt, und entsprechend viel Geld ausgibt. Der kommt dann natürlich viel schneller voran als jemand, der das nicht tut. Und im Kindersegment ist das ganze Gameplay auch nicht so auf das ganze Item-Selling und die Micro-Payments ausgerichtet, sondern es ist eher ein Spielfluss, der nicht unterbrochen wird, und am Ende kannst du dir dann ein zusätzliches Kapitel kaufen. Und insofern bestimmt die Monetarisierung auch das Gameplay.

TB: Jetzt zum Modewort Gamification, also der Adaption von Game Features auf Produkte. Wie würdest du Gamification generell für dich definieren?

VP: Egal ob im E-Commerce, auf Social Communities oder im Produktbereich, die Anwendung von Game-Mechanismen führt einfach zu einem Belohnungssystem – macht also mehr Spaß! Es macht Kindern und auch Erwachsenen einfach mehr Spaß, wenn sie etwas tun, wofür sie belohnt werden. Wenn sich das spielerisch anfühlt. Und je mehr man auch gerade dröge Prozesse, die sehr gelernt und standardisiert sind, mit Gameplay bereichert, desto höher die Conversion Rate, desto höher die Stickiness, desto höher die Retention, desto höher die Identifikation mit dem Produkt.

TB: Wenn ich jetzt die Diskussion in diesem Bereich verfolge, gibt esda ja sehr unterschiedliche Meinungen. Manche halten das für einen Marketing-Gimmick, um ein schlechtes Produkt jetzt besser zu verkaufen. Andere dagegen halten das für die nächste große Geschichte, die jetzt überall kommt. Siehst du da Grenzen, siehst du Vor- und Nachteile bzw. siehst du das auch kritisch, insbesondere als Game-Hersteller, dass jetzt jedes landläufige Produkt diese Features einsetzt?

VP: Ob es überhaupt als bloßer Werbe-Gimmick eingesetzt wird, weiß ich gar nicht. Ich glaube vielmehr, dass durch den durchschlagenden Erfolg von Smartphones einfach plötzlich jeder zum Gamer wird. Also früher brauchte man noch eine Konsole oder man musste sich entsprechende Software kaufen, und heute kannst du an der Bushaltestelle stehen und irgendein Spiel spielen. Plötzlich sind die sogenannten Casual Moms, also die 35-45 jährigen Frauen, die größte Zielgruppe von Games. Das bedeutet, dass heutzutage praktisch jeder Gamer werden kann - vom Kind bis zum 80-jährigen. Was ich aber durchaus  kritisch sehe, ist die Gefahr, dass schlechte Produkte durch Gamification vermeintlich spannend gemacht werden. Eigentlich ging der Trend ja dahin, das Produkte,  gerade im Mobile-Segment, klar und scharf sein müssen, um die kurze Attention-Span der Kunden nicht zu verlieren. Natürlich kann übermäßige Gamification dazu führen, dass der hohe Anspruch an User Flow und Usuability wieder verloren geht. Wir konkurrieren um die Zeit, die jemand mit seinem Smartphone verbringt. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass der Erfolg von Games dadurch nicht geschmälert wird - egal wie viele Gamingelemente eine E-Commerce-Plattform auch immer einbaut.

TB: Wie sieht es denn im Bereich der Location-Based-Services aus? Wie siehst du da die Möglichkeiten, Game Features zu integrieren?

VP: Ich glaube, da hat es eine hohe Relevanz. Location-Based-Services werden ja häufig kritisch diskutiert, im Sinne von „haben wir alle Lust, ne Straße lang zu gehen und mit Werbung befeuert zu werden?“ Ähnlich wie im Netz, wo Banner erst noch schrecklich erfolgreich waren. Für ein paar Jahre waren das wirklich gute Reichweitenprodukte und heute kriegst du kaum noch irgendeine Display-Kampagne profitabel, weil Banner überhaupt nicht mehr das sind, was Menschen auf einer Website haben wollen. Und das Gleiche wird für den Mobilbereich gelten. Banner sind jetzt schon immer mehr auf dem Rückzug, weil sie eben die Leute nerven. Also wenn du Location-Based-Services richtig gut machen willst, dann musst meiner Meinung nach über Games gehen. Ich will eben nicht an einem Starbucks vorbeigehen und eine nervende Push-Nachricht kriegen, sondern ich möchte idealerweise in irgendetwas involviert werden. Zum Beispiel in ein kleines Spiel während ich auf meinen Kaffee warte und dafür dann irgendeine Belohnung kriegen. Das würde mir eher Spaß machen als irgendeine eine blöde Promotion.

TB: Wenn wir schon über Location-Based-Services sprechen. Wie beurteilst du die momentane Situation von Foursquare in diesem Zusammenhang?

VP: Foursquare ist sozusagen der halbe Weg in die Richtung. Ich weiß schon, wo die Leute sind, aber da fehlt dann der Abschluss. Das heißt, dass ist im Moment eine Einbahnstraße, die keinen Sinn macht, weil ich fröhlich überall einchecke und Mayor werde, aber eigentlich nichts davon hab. Und ich glaube, wenn da von der anderen Seite ein sinnvoller Service draufgesetzt wird, oder Goodies oder Games oder was auch immer, dann kann Foursquare sehr mächtig sein. Im Moment bemerke ich das auch an der Nutzung der Leute. Da ist am Anfang eine große Bereitschaft einzuchecken und irgendwann ebbt das total ab.

TB: Die Zahlen belegen ja auch, dass Foursquare ein riesengroßesEngagement-Problem hat. Deswegen geht Facebook ja jetzt auch sehr stark in Richtung Data-Cloud. Das heißt, das physische „Ich muss jetzt einen Button drücken, um mich einzuchecken“ wird in Zukunft aufgebrochen. Wie beurteilst du das? Dass du einfach irgendwo bist, und automatisch einfach deine Location gesendet wird und du dann im Prinzip ständig in einer Datencloud  bist, und du dir Informationen dann holen kannst, wenn du sie brauchst?

VP: Ich bin vielleicht Teil einer Minigruppe, die generell keine Angst davor hat, wenn sie geortet und dann mit entsprechenden individualisierten Angeboten versorgt wird. Ich persönlich würde sagen: Das ist OK! Da geht es eh hin. Für die breite Masse gesprochen, sind wir da aber noch nicht. In Deutschland sowieso nicht! Aber Deutschland darf man da auch nicht als repräsentativ nehmen. Wir sind da sozusagen immer die größten Bedenkenträger von allen. Wenn man nach Skandinavien geht, ist die Akzeptanz solcher Services viel größer. Generell würde ich aber sagen: Wenn so eine Cloud morgen eingeführt wird, wird das nicht automatisch dazu führen, dass Foursquare kein Engagement-Problem mehr hat. Im Gegenteil, es kann sogar sein, dass Leute, die noch gar nicht so richtig wussten, was sie mit Foursquare anfangen sollen, dann eher gehen, weil ihnen diese Entwicklung Angst macht.

TB: Aber ist denn dieser Zug überhaupt noch aufzuhalten?

VP: Nein, der ist nicht aufzuhalten. Es wird hundert Prozent immer weiter in die Richtung gehen. Unabhängig davon, ob man eine Aktion vornimmt, eincheckt, sein Handy anmacht, sich einwählt, und sonst etwas tut, werden die Daten genutzt. Man wird geortet und entsprechend anvisiert. Einige Services wissen viel und werden in Zukunft noch mehr wissen. Also dieser Trend ist überhaupt nicht aufzuhalten.

TB: Verena, ich danke dir für dieses Gespräch!

Mehr Infos zu Verena Pausder unter www.verena-pausder.de !